Depressionen – drei Latte Macciato lang Teil 1
Depressionen können jeden treffen. Sie fragen weder nach dem Beruf noch dem Alter oder der Identität. Genau deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen und sie als Krankheit anzunehmen.
Vielleicht bist auch du vom Thema Depressionen betroffen. Bestimmt kannst du dich mit einigen Aussagen von Markus und Franz identifizieren. Du bist nicht allein mit dem Thema und wenn in deinem Umfeld niemand für dich da ist, dann gibt es noch die Chance auf medizinische Hilfe. Auch wenn der Weg manchmal nicht leicht ist, ist er doch ein wichtiger Weg.
Diese Kurzgeschichte sollte eigentlich Teil einer Kaffeehausanthologie werden. Leider habe ich keinen Platz bekommen. Das bedeutet aber nicht, dass du die Geschichte nicht doch noch lesen darfst. Das ist der erste Teil. Den nächsten Teil bekommst du nächsten Monat. Ich würde gern mehr schreiben, aber aktuell darf ich an so vielen anderen tollen Projekten arbeiten. Eins davon ist mein Debütroman. Der erscheint noch dieses Jahr.
Meine Kurzgeschichten geben dir einen Einblick in meinen Debütroman. Markus und Franz sind zwei meiner Protagonisten und sie sind mir sehr wichtig. Die anderen Geschichte, die es von ihnen schon gibt, kannst du hier auf der Website lesen:
Diese Kurzgeschichte gibt es auch in der von mir gelesenen Version. Ich möchte dich mal ganz kurz am Entstehungsprozess teilhaben lassen. Die Aufnahme war für mich sehr emotional, denn die Geschichte vorzulesen oder zu erzählen, gibt ihr nochmal eine ganz andere Bedeutung.
Bitte vergiss nicht, die Geschichte am Ende der Seite zu bewerten. Nur so kann ich an meinen Fähigkeiten arbeiten und noch weiter bessere Inhalte für dich machen. Die Umfrage dauert nur 1-2 Minuten und ist komplett anonym.
Jetzt möchte ich aber nicht weiter drum herum reden. Viel Freude beim Lesen.
Depressionen – drei Latte Macciato lang
Karl brachte zwei Latte Macchiato mit Mandelmilch an den Tisch der beiden Herren, die sich mit Markus Richter und Franz Morgenstern vorgestellt hatten. Die beiden waren also vegan. Oder laktoseintolerant. Karl interessierte sich sehr für seine Gäste und gleichzeitig spürte er, dass ihnen gerade ihre Privatsphäre wichtig war. Also stellte er den Kaffee respektvoll auf den Tisch der beiden.
Ein wohlig warme Atmosphäre durchzog das Kaffeehaus. Markus und Franz liebten diesen Duft. Franz brauchte jetzt das Ohr und die Schulter seines besten Freundes, denn er hatte Angst, dass seine Depression zurück war. In den letzten Tagen ging es ihm nicht gut. Er fühlte sich so falsch und so wenig bei sich angekommen und das kannte er nicht von sich. Er liebte seine Arbeit in der Kanzlei. Eigentlich war er Richter im Gericht und verhandelte Familienfälle. Seit über einem Jahr war er das aber nicht mehr und er trauerte dieser Arbeit auf der einen Seite hinterher.
Auf der anderen Seite wusste er aber auch, dass diese Entscheidung mehr als richtig war. Ihm ging es gut in der Kanzlei, mit Markus, Millaine und den anderen Kollegen. Er wollte David aber auch nicht ersetzen. Er war einfach nicht mehr da und daran konnte Franz nichts ändern. Dennoch machte es ihn fertig, dass sein Job jetzt ein so ganz anderer war.
Gemeinsamkeiten
Markus hatte Franz zum Arzt begleitet, weil er Angst hatte, dass er gleich von dort aus seine Reise in die medizinische Einrichtung für Menschen mit emotionalen Herausforderungen antreten würde. Zu Hause hatte er eine gepackte Tasche. Die hätte Markus ihm nur bringen müssen, wenn es soweit gewesen wäre. Nun brauchte er die aber nicht. Auch wenn es Franz nicht gut ging, hatte der Fachmensch für emotionale Herausforderungen doch dokumentiert, dass er stabil war. Franz wohnte auch nicht allein. Er teilte sich einen Wohnraum von 100 Quadraten in einem Stadtteil von Mannheim, der Quadrate hieß.
Dort wohnte er mit Millaine und Markus. 100 kleine Quadrate sind viel Raum für drei Personen. Jeder hatte seine eigene kleine Welt und dennoch war nie jemand wirklich allein. In der Anwaltskanzlei von Markus war das nicht anders. Hier hatte jeder sein Arbeitszimmer, denn in jedem Büro stand ein beiges Sofa und ein Sessel. Man hätte in der Kanzlei auch schlafen und naja, wohnen können. Denn alle teilten sich eine Küche. Es gab auch eine Mitarbeitertoilette und eine für Besucher. Nur eine Dusche gab es nicht und das hielt wohl alle davon ab, in der Kanzlei zu übernachten.
Kaffeegespräche über Depressionen
Markus wollte in einem Gespräch im Lieblingskaffeehaus beim besten Kaffee der Stadt herausfinden, was in Franz vorging und was ihn in diese emotionell herausfordernde Situation gebracht hatte. Markus war nicht neugierig, er war nur besorgt. Franz war der zweitwichtigste Mensch in Markus Leben und es brauchte dieses Kaffeegespräch bei Mandelmilch, um genau diese Frage zu beantworten.
“So mein Großer, ein bisschen ist mir klar, warum du gerade nicht wirklich lachen kannst, aber was steckt wirklich dahinter?”
“Du weißt, ich kannte David nur kurz und er fehlt mir einfach. Ich kann ihn nicht ersetzen und genauso fühle ich mich aber. Hast du nicht einfach nur jemanden gebraucht, der seine Aufgaben übernimmt?”
“Nein, du bist ein eigenständiger Mensch, mit ganz eigenen Fähigkeiten. Und du darfst mir glauben, dass ich genau das vermeiden wollte. Du sollst dich nicht wie ein Lückenfüller fühlen. Haben wir dir denn jemals gesagt, dass du David ersetzt?”
“Natürlich nicht. Sei mir bitte nicht böse. Das sollte keine Unterstellung sein. Kannst du denn nicht ein bisschen verstehen, wie ich mich fühle?”
Alte Erinnerungen und Verlust machen auch Depressionen
“Na klar verstehe ich das. David war Millaines bester Freund. Mir geht es privat ähnlich wie dir in der Kanzlei. Gut, Millaine und ich sind jetzt verheiratet, aber das ändert nichts daran, dass sie immer wieder von David spricht. Dabei hat uns der Kerl einfach so im Stich gelassen.”
“Er hat uns ja nicht im Stich gelassen. Wenn er eine Wahl gehabt hätte, wäre er wahrscheinlich geblieben. Das ist leider so. Aber es beruhigt mich, dass ich nicht allein bin mit meinen Gefühlen. Und auch, wenn Millaine immer wieder von David spricht, bedeutet das ja nicht, dass wir David ersetzen. Du hast Recht. Eigentlich habe ich mir meine Antwort gerade selbst gegeben.”
“Dennoch weiß ich, dass es dir gerade nicht gutgeht. Und das ist für mich auch nicht so einfach. Sagst du mir in den kommenden Tagen bitte, wie es dir geht? Wenn du allein sein möchtest, dann sag mir das bitte. Und wenn du nicht allein sein kannst, dann kannst du mir das auch sagen.”
“Ja, so war das abgesprochen. Ich weiß. Auch wenn es mir immer noch nicht leicht fällt, wenn ich um Hilfe bitten muss.”
Selbstzweifel und Depressionen
“Hey, du bist mein bester Freund. Was immer du brauchst, sag es mir einfach. Wir müssen einfach wieder lernen, eigenständige Menschen zu sein. Es ist kein Wunder. Im Grunde sind wir 24 Stunden am Tag zusammen. Und im Grunde ist das auch nicht gesund. Wir verbringen die Zeit zu Hause zusammen und die Zeit in der Kanzlei. Ab und zu bist du im Gericht. Da sehen wir uns nicht. Und dann sind wir abends auch immer zusammen. Ich glaube, wenn jeder einfach mal an seinen Dingen in einem anderen Raum arbeitet, dann machen wir einen großen Schritt.”
“Ok, ich nerve dich also?”
“Och nein, so war das nicht gemeint. Ich liebe es, wenn wir miteinander sprechen. Ich habe in den Jahren, die wir uns kennen so viel von dir gelernt und ohne dich, wäre ich weder als Mensch, noch als Anwalt der Mensch, der ich heute bin.”
Diese Aussage von Markus machte Franz sehr glücklich. Er hielt kurz inne in einem Moment der Dankbarkeit und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Es war endlich mal wieder eine Freudenträne. Die hatte Franz lange nicht mehr erlebt. Er nippte an seinem Latte Macchiato mit Mandelmilch, den er so sehr liebte. Und er atmete kurz durch und schaute Franz an.
Karl kam nochmal an den Tisch.
Verständnis für Depressionen
“Brauchen Sie noch was oder ist alles in Ordnung.”
“Danke, es ist alles wie immer zu unserer Zufriedenheit.”
“Aber sie sehen aus, als hätten Sie geweint. Ist wirklich alles ok? Also eigentlich geht mich das nichts an, aber ich sehe sie so oft hier. Und ich freue mich immer, wenn Sie hier sind, weil Sie so freundlich sind.”
“Ach, kein Problem. Wir wissen doch, dass Sie ihren Job toll machen. Mir ist auch bewusst, dass sie es hier nicht immer einfach haben.”
“Eigentlich geht es schon. Wir haben hier eigentlich nur Kunden, die sich auch benehmen können. Aber Sie sind mir einfach aufgefallen, weil Sie immer sehr lange bei uns sind und immer dasselbe bestellen.”
“Sie haben ein hervorragendes Gedächtnis. Ja der Latte Macchiato mit Mandelmilch, der ist uns sehr wichtig. Den ersten haben wir damals zusammen in Italien getrunken. Und das Kaffeehaus ist so besonders, weil es uns immer an Italien erinnert.”
Atmosphäre trotz Depressionen
“Der Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen, die Geräusche der Kaffeemaschinen und Kaffeemühlen, das ist wie nach Hause kommen.”
“Verstehe ich. Ich habe einen Teil meiner Ausbildung in einem echten italienischen Café absolviert, und ich war ich auch schon einmal in Italien. Echt schön dort. Aber ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen. Es war echt schön, mich mal mit Ihnen zu unterhalten.”
“Gern, das können wir gern wiederholen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.”
Karl ging und Markus und Franz hatten auf seinem Namensschild seinen Namen gelesen. Sie waren leicht verwundert und kamen darüber wieder ins Gespräch. Der war ihnen noch nie aufgefallen.
“Du Markus, hast du gelesen wie der Barista heißt?”
“Karl, warum? Hey, warum schaust du so traurig. Komm her, mein Großer.”
“Karl war einer von Davids Vornamen. Karl ist ein besonderer Name und David war ein besonderer Mensch. Ich kann nichts daran ändern, dass er nicht mehr da ist, aber ich habe mich gerade wieder an einige Szenen mit ihm erinnert.”
“Das geht mir jeden Tag so und bei Millaine ist es auch so. Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen. Wir können jeden Tag und zu jeder Stunde über David reden, wann immer es einer von uns braucht. Anders werden wir das nicht verarbeiten können. Aber mal was anderes, was ist denn dein Plan wegen deiner Depression?”
Wege aus den Depressionen
“Ich möchte mir Ruhe gönnen. Und ich möchte auch endlich wieder malen. Das ist in den letzten Wochen und Monaten viel zu kurz gekommen.”
“Oh eine feine Idee. Du weißt, ich kann nur gute Strichmännchen. Es ist auch nicht schlimm, dass ich da weniger begabt bin als du, oder?”
“Das war doch niemals ein Problem. Nur weil wir beste Freunde sind, bedeutet das nicht, dass wir nur dieselben Sachen mögen müssen. Es wäre etwas anderes, wenn du mich auslachen würdest.”
“Ach, habe ich das jemals wegen irgendwas getan?”
“Naja, als du Millaine und ich damals den Abend zusammen verbracht haben, mit dem alles anfing, da hast du mich ausgelacht, weil ich Mehl im Gesicht hatte.”
“Mein Lieber, ich habe mit dir und nicht über dich gelacht. Es war einfach so authentisch, weißt du? Im Gericht habe ich immer nur deine ernste Seite gesehen. Nachdem wir dann in Italien beim Jurakongress waren, habe ich einen ganz neuen Franz Morgenstern kennengelernt. Und dann habe ich dich auch mal lachen sehen. Das war was Besonderes.”
“Ja, wir haben an diesem Abend so viele tolle Gespräche geführt. An die denke ich auch jeden Tag. Und es war wirklich witzig. Und du hattest Mehl an den Händen und hast es dann bei Millaine auf der Stirn verteilt. Unglaublich, wie depressiv ich einfach damals schon war.”
“Dafür kannst du nichts. Eine Depression ist doch keine bewusste Entscheidung. Hast du das damals eigentlich gespürt oder kam das überraschend?”
Erkenntnisse über Depressionen
“Schon als wir mit Millaine dann in Italien beim Jurakongress waren, habe ich das gespürt. Ich habe gemerkt, dass ich mich immer öfter zurückziehen musste und dass ich allein sein wollte. Aber als ich dann vor dem OP-Saal saß, mit Millaine im Arm, da haben mich die Tränen wie eine Lawine überrollt.”
“Ok, das tut mir leid. Und wie war es jetzt?”
“Jetzt war es anders. Es hat sich langsam wieder in meinen Alltag geschlichen. Ich habe gespürt, dass die Emotionen zurückkommen, aber es war nicht einfach, mir das selbst auch einzuräumen. Und du darfst auch nicht vergessen, dass nicht jede Emotion immer gleich eine Depression bedeutet.”
“Das stimmt. Mir geht es da ähnlich wie dir, auch wenn es hier heute nicht um mich gehen soll. Aber ich habe auch immer mal wieder Tage, an denen ich weine. Und dennoch bedeutet das nicht, dass meine Depression auch wieder akut ist.”
Stabilität
“Und ich hoffe so sehr, dass das auch so bleibt. Bei mir hoffe ich einfach, dass es mit der Medikamentenerhöhung auch wieder besser wird.”
Franz und Markus waren mit ihrem Gespräch noch lange nicht am Ende angekommen. Sie bestellten sich bei Karl noch einen neuen Latte Macchiato mit Mandelmilch. Karl freute sich, dass die beiden vorhatten, noch einen Moment zu bleiben. Er bereitete mit viel Liebe die beiden Gläser vor und brachte sie an den Tisch.
“Hier sind Ihre beiden Latte Macchiato in der zweiten Runde. Lassen Sie es sich schmecken.”
“Dankeschön Karl. Uns ist vorhin ihr Name aufgefallen. Der ist schon ziemlich besonders, oder?”
“Ja, danke. Das stimmt. Meine Eltern haben mich nach dieser Buchfigur benannt. Sie haben viel gelesen. Ich selbst habe die Geschichte noch nie gelesen, aber vielleicht sollte ich das mal tun.”
Karl oder David?
“Kann ich Ihnen nur empfehlen. Ich lese die heute noch immer mal wieder. Aber Ihr Name erinnert uns an einen Freund von uns.”
“Ich dachte immer, dass mein Name sehr selten ist. Naja, so selten doch nicht. Sie haben einen Freund, der auch Karl heißt?”
“Nein nicht Karl, aber David. Karl war Davids dritter Vorname.”
“Ah, verstehe.”
“Ja, und David war ein besonderer Mensch. Leider ist er kein Teil unseres Lebens mehr. Deshalb ist die Stimmung heute nicht besonders gut.”
“Das tut mir leid. Kann ich denn etwas tun, damit Ihre Stimmung besser wird?”
“Ja, können Sie. Ich wäre ganz dankbar, wenn sie uns noch einen einen koffeinfreien Cappucino mit Mandelmilch bringen könnten und einen Americano.”
Danke für’s Lesen
Wenn du nicht an Depressionen leidest, gibt es in deiner Familie vielleicht jemanden oder einen Freund. Schicke ihm doch gern den Link zur Geschichte. Es ist mir sehr wichtig, dass viele Menschen von dem Thema hören.
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Bye und Shalom,
deine Millaine
©️ Millaine Featherfield, Madlen Peilke, Erfurt, Deutschland, März 2024.